Studierzimmer

Ballade einer Bildung

Zum Abi 1967

Ende der 60er Jahre formierte sich unter den Oberstufenschülern im Kolleg eine kleine, sehr talentierte Gruppe, die ihre Begeisterung für das kabarettistische Verseschmieden entdeckt hatte und dieses fortan passioniert zelebrierte. Das Vorbild dieses Textes war eine Nummer aus dem damals begeistert aufgenommenen Programm der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ …

Ach, es ist im Land 
eine Anstalt weit bekannt, 
die aus Buben Humanisten 
und dazu auch gute Christen, 
wie der Ruf sagt, machen kann. 
Woll’ n mal seh’ n, ob das gelang. 

Im Kolleg ein Bub’ kam an, 
hörte erst den Sermon dann, 
den die Leitung tat erzählen; 
sah sich um in allen Sälen, 
fand die Flure weiß und fad,
ließ sich zeigen auch das Bad,
dann sein Studium, sein Bett,
fand die Leute erst mal nett,
dachte, könnte ja was sein,
trittst mal in den Kasten ein.

Und so kommt er dann beladen
in des Vaters dickem Wagen,
empfing den letzten Kuss,
mit Freiheit war jetzt Schluss.

Packte aus in seinen Stuben,
balgte sich mit andern Buben,
musste schweigend mittags essen,
dazu wurde vorgelesen.

Ging früh in die Messe rein,
denn das musste schließlich sein,
knurrte mit  die frommen  Lieder,
seufzt: ‚Im Bett wär ich jetzt lieber,
betet voller Inbrunst dann:
‚Hoffentlich komm ich nicht dran!‘

Um dann in die Schul’ zu trotten,
wo die Lehrer – hartgesotten –
ihn doch täglich quälen, plagen,
ihn so dumme Fragen fragen,
wie: ‚Wer stritt am Pel’ponnes?‘
Ach, denkt er, ist das ein Käs’.

Lernte auch, wie’ s war in Sparta,
denn er war nun in der Quarta;
hat dann noch zu guter Letzt,
Tacitus schlecht übersetzt.

Paukte griechische Vokabeln,
malt’ und rechnete Parabeln,
spicken, diese Wissenschaft,
lernte er mit Meisterschaft.

Verlor auch mal im Fach Erdkunde
seine erste Starkbierrunde,
weil er zu sehr mogeln tat
beim geheimen Spielchen Skat.

Schlief mal in Geschichte ein,
fraß sein Fresspaket allein,
rannte, wenn es Schnitzel gab, 
dachte sich, wenn ich’s nur hab’.

So Manieren, welcher Graus,
brachte er dann mit nach Haus,
ließ dort diese korrigieren,
um sie wieder zu verlieren.

Holte sich, so war die Mode,
beim Becker „Stiefel“ seine Brote,
fraß dann trotzdem die Bananen,
die vom Apfelkeller kamen.

Trieb’s im Sport nicht allzu toll, 
hatte bald die Nase voll,
wenn –  nach vielerlei Palaver –
schließlich kam das letzte ABER.

Übt Gitarre voller Eifer,
wird trotz allem langsam reifer,
findet Beat ganz schrecklich toll,
tanzt auch solo Rock ‘n Roll.

Liest auch zwischendurch zum Spaß
zwecks der Bildung Günter Grass,
schaut sich alte Filme an,
die schon einmal waren dran.

Las den Spiegel und die BILD,
diskutierte laut und wild,
sang im Chor aus vollster Brust,
fuhr nach Freiburg voller Lust
um dem dortigen Gemüse
arg zu treten auf die Füße.

Brachte einen Flirt in Gang,
freute sich, wenn es gelang,
gab dem Freund manch guten Rat,
dem er selbst nicht folgen tat.

Schrieb im Aufsatz tolle Thesen,
die man vorher nie gelesen,
hatte nach dem Reisetag
gleich zuhaus’ ein Fest parat.

Lebte in den höchsten Höhen
und im Kopf mit kleinen Flöhen,
die, wie zeigt die Empirie, 
genau so leben können, wie:  
WIR es taten es als Primaner, 
belehrt-gelernte Kollegianer.
Neun, zehn Jahre unsres Lebens
waren doch nicht ganz vergebens.

(Version von 1967, nach 55 Jahren wieder gelesen und etwas geglättet.)

Autor

  • Jan Koppmann

    Nach dem Abitur 1967 in St. Blasien studierte Jan Koppmann Germanistik und Geschichte für das Lehramt an Gymnasien. Nach dem Referendariat in Freiburg und Emmendingen wurde er an das Gymnasium Weingarten versetzt, wo er beinahe 40 Jahre lang unterrichte. Gut 30 Jahre lang leitete er die Theater-AG der Schule und brachte über 30 abendfüllende Stücke auf die Bühne. Die letzten zwölf Jahre seiner beruflichen Laufbahn bildete er als Bereichsleiter und Professor am Seminar für Didaktik und Lehrerbildung in Weingarten Referendarinnen und Referendare im Fach Geschichte aus. Seit 2014 genießt er den Ruhestand.