Studiersaal im Kolleg St. Blasien

„My Pult is my castle“ – Ein Fotoalbum

Konzertreisen, Wandertage, Absurdes Theater, Fasching und ein Streich mit Folgen. Altkollegianer Michael Praschma hat sein Fotoalbum für uns geöffnet und erlaubt spannende und amüsante Einblicke in seine Kollegszeit Ende der 60er bis Mitte der 70er Jahre.

Chor und Orchester reisten im Rahmen eines Austauschprojekts vom 22. bis 29. April 1974 nach Wales, untergebracht bei Gastfamilien. Vor Ort wurde, z. B. in der katholischen Kirche von Llandridodd, fleißig geprobt.

Einer Reihe von Auftritten unter Leitung von Hubert Ehret folgten meist gesellige Empfänge, bei denen offenbar auch die erreichten oder verfehlten Tonhöhen
(hier P. Leu mit dem Autor) nachbesprochen ….

… und wichtige weitere Erledigungen abgehakt wurden (Herr Ehret gemeinsam mit Herrn Pleuter).

Abschluss war ein rauschendes Abschiedsfest. Außer den Sopranen …

… war auch der Reiseleiter und Englischlehrer Herr Pleuter ein gefragter Mann.

Die Abreise sorgte in der Folge für herzzerreißende Szenen mit der walisischen Mädchenwelt beim Besteigen des Busses.


Anfang der 70-er Jahre stellte das Kolleg den Schauspieler und Opernsänger Adalbert Kemna ein, um eine freiwillige Sprecherziehung anzubieten, über deren erfolgreiche Absolvierung auch ein Zertifikat ausgestellt wurde. Wir lernten etwa, bei dem berühmten Satz „Barbara saß nah Abhang, sprach gar sangbar zaghaft, langsam: Was hallt am Waldbach nah?“ die Zungenspitze bei allen „A“s an der Innenseite der unteren Schneidezähne zu halten.

Öffentlichkeitswirksam wurde die pädagogische Maßnahme durch einen Abend mit Stücken des Absurden Theaters beim Pfingst-Elterntreffen. 


Die Schlafsäle für die Mittelstufe waren Ende der 60-er Jahre teils noch um die 30 Betten groß und eine Brutstätte für jede Art von Blödsinn – beileibe nicht nur Kissenschlachten. Diese leicht pietätlose „Aufbahrung“ einer vermeintlichen Mordleiche fand beim aufsichtführenden Präfekten Pater Zieher wenig Gefallen und endete, da der ganze Schlafsaal auf die Frage nach dem Urheber standhaft schwieg, mit einem einstündigen nächtlichen Strafstudium im Pyjama. 


Unser Genius loci dürfte in diesem Raum, dem „Studium“ der 4. Abteilung 1968, noch herumwabern; immerhin verbrachten wir dort Frühstudium, Hauptstudium, Abendstudium und am Sonntagvormittag auch noch das Briefstudium, außerdem zumindest bei schlechtem Wetter auch viel Freizeit. Es galt „My Pult is my castle“; das war eigentlich der (einzige) Kern der Privatsphäre. Beim Briefstudium wurden wir mit der Lieblingsmusik des Präfekten malträtiert – bei Zieher war es, jawohl, Joan Baez.


Fasching 1969: Die Abteilungen hatten Spielsäle, aufgereiht im Kellergang unter den damaligen Sheds, und jede Abteilung überlegte sich eine eigene Gestaltung und ein Angebot, das auch der Abteilungskasse zu Einnahmen verhelfen sollte, weswegen Getränkekonsum nirgends fehlen durfte. – Richtig gelesen: auch Bier und Whisky White!

Die Schriftgrafik der Werbeplakate war vom selben Zeitgeist inspiriert wie der Aufdruck auf dem ersten Kollegspulli. 


Wandertage (hier die Klasse 8b des Jahrgangs 1968/69) führten in für uns so desparat abgelegene Naturjuwele der Umgebung, dass sie sich nur durch lautes Absingen unzüchtiger Lieder und den Konsum ebenso selbstverständlich verbotener wie dennoch mitgeführter Genussgifte ertragen ließen. Wie viel unser Klassenlehrer Foidl davon mitbekommen hat, entzieht sich meiner Kenntnis

(Fotos : Archiv des Autors)

Autor

  • Michael Praschma

    Michael war im Kolleg von der 4. Abteilung bis zur OA, engagiert pädagogisch begleitet von den Präfekten Zieher, Kramer, Rusnak und Jeran; 1. Generation der Bewohner des Ostflügels mit Einzelzimmern. Zivildienst, Studium der Sozialarbeit und Erziehungswissenschaften in Essen, Leiter eines Gemeinwesenarbeits-Projekts; seit 1989 bis heute selbständig als Texter, Autor und Lektor; verheiratet, 2 Kinder.